Gewaltprävention

Das Programm „Faustlos" setzt auf die Erkenntnis der Frühpädagogik, dass effektive Gewaltpräventionsansätze möglichst früh in der Entwicklung von Kindern ansetzen sollten. Mit Hilfe der durchgeführten Lektionen werden bewährte Strategien zur Problemlösung eingeübt und so das Verhaltensrepertoire von Grundschul- und Kindergartenkindern erweitert. Verstärkungstechniken sollen dem Schüler das eigene Verhalten immer wieder bewusst machen, Sprachmuster können helfen, sich und anderen die eigene Gefühlslage klar zu machen. FAUSTLOS ist ein Curriculum, das impulsives und aggressives Verhalten von Kindern vermindern und ihre soziale Kompetenz erhöhen soll (vgl. Krannich, Sand-eis; Ratzke, Diepold & Cierpka, 1997).

Da aggressives und gewaltbereites Verhalten wesentlich aus einem Mangel an sozialen Kompetenzen resultiert, was eine konstruktive Form der Problem- und Konfliktbewältigung nicht zulässt, haben Maßnahmen zur Steigerung der sozialen Kompetenz von Kindern im Rahmen von Gewaltprävention einen zentralen Stellenwert. Die Entwicklung prosozialer Verhaltensweisen kann durch einen oder mehrere der folgenden Faktoren beeinträchtigt werden:

  • Die Kinder wissen nicht, was angemessenes Verhalten ist, weil ihnen Modelle für alternative Konfliktlösungen fehlen
  • sie wissen zwar, was angemessenes Verhalten ist, aber ihnen fehlt die Übung, weil sie in ihrem Verhalten nicht adäquat verstärkt werden
  • sie zeigen emotionale Reaktionen wie Ärger, Furcht oder Angst in einer Ausprägung, die sie in der Entwicklung des gewünschten Verhaltens behindert
  • sie können Aggressionen nur unzutreffend einschätzen
  • sie zeigen Entwicklungsverzögerungen unterschiedlicher Genese.

Durch FAUSTLOS lernen Kinder prosoziale Verhaltensweisen auf die gleiche Weise, wie sie lernen, sich unsozial verhalten, nämlich über Vorbilder, Erfahrung und Verstärkung. Verstärkungen - sowohl "beabsichtigte" (Lob, Belohnungen) als auch "natürliche" (erfolgreiche Problemlösungen) - fördern das Lernen dieser Fähigkeiten.

In Zusammenhang mit dem Erwerb prosozialer Fähigkeiten wird die Vermeidung von Regelverletzungen und von Gewaltbereitschaft auch direkt angesprochen, z.B.:

Lektion 10 (Klasse 2): Ursache und Wirkung

„Die Unfähigkeit, Ursache und Wirkung miteinander zu verknüpfen, ist für viele Jugendliche und junge Gewalttäter charakteristisch."

Lektion 11 (Klasse 2): Absichten

„Deshalb ist es wichtig, den Kindern die Gelegenheit zu geben, zwischen unbeabsichtigten und beabsichtigten Handlungen zu unterscheiden, um anderen gegenüber sensibel zu reagieren. Diese Fähigkeit ist besonders für aggressive Kinder bedeutsam, da sie jedes Schubsen als einen beabsichtigten feindseligen Akt interpretieren."

Grundlegende Zielsetzungen

„Faustlos" ist auf ein organisch aufgebautes Konzept, das stufenweise Fähigkeiten in den folgenden Bereichen vermitteln will:

  • Empathie
  • Impulskontrolle und
  • Umgang mit Ärger und Wut.

Empathie ist eine maßgebliche Voraussetzung für den Erwerb prosozialer Fähigkeiten und eine ebenso wichtige Voraussetzung für die Prävention von Aggressionsbereitschaft. Durch erworbene alters- und entwicklungsadäquate Einsichten und Kenntnisse soll ein vorhandener Mangel an sozialen Kompetenzen ausgeglichen werden, der eine konstruktive Form der Problem- und Konfliktbewäl-tigung nicht zulässt. Hierdurch soll gewaltbereitem Handeln vorgebeugt werden.

Das Programm ist für Gruppen entwickelt und wendet sich an alle Schüler einer Klasse. Die hinsichtlich Gewaltbereitschaft und Aggression besonders gefährdeten Kinder verbleiben ebenfalls im Klassenverband und werden nicht ausgegrenzt.

Die Fähigkeiten im Bereich der Empathie (Einheit I), der Impulskontrolle und des Umgangs mit Ärger und Wut werden an Hand eines sehr sorgfältig ausgewählten fotografischen Materials regelrecht trainiert. Es handelt sich um Szenen aus dem entsprechenden Umfeld und aus der entsprechenden Altersgruppe.

So sollen die Kinder beispielsweise beim Empathietraining Gefühle ihrer Mitschüler, Ähnlichkeiten und Unterschiede von Verhaltensweisen von Mitschülern in der gleichen Situation erkennen, das Verändern von Gefühlen beurteilen lernen sowie lernen, Gefühle mitzuteilen. Schüler sollen Freude, Trauer etc. erkennen, um dementsprechend einfühlsam bzw. angemessen handeln zu können. Zentral ist dabei immer wieder eine „Erziehung der Gefühle", denn die Kompetenzen, die Kinder benötigen, um mit ihren aggressiven Impulsen konstruktiv umzugehen und um gute Beziehungen zu anderen aufzunehmen wie aufrechtzuerhalten, werden meist nur am Rande des erzieherischen Alltags thematisiert und eingeübt.

In allen Lektionen werden die Übungen mit dem fotografischen Material durch weitere Rollenspiele und Übungen, die die Einsichten des Kindes vertiefen sollen, unterstützt.

Die Kontrolle impulsiven Verhaltens ist der zweite Baustein der Faustlos-Curricula. Häufig sind es gerade impulsive Handlungen von Kindern, die – oftmals so gar nicht beabsichtigt – Konflikte heraufbeschwören.

In der Einheit Impulskontrolle (Einheit II) werden schwierige oder konflikthafte Situationen angesprochen, bei denen zwei erfolgreiche Strategien miteinander verbunden werden, nämlich ein Problemlöseverfahren und die Übung einzelner sozial kompetenter Verhaltensweisen. In einem Fall geht es zum Beispiel darum, zum richtigen Zeitpunkt bei einem Spiel oder einer Tätigkeit mitzumachen (Klasse 2, Lektion 11). Auch bei der Impulskontrolle werden Übungen in den jeweils höheren Klassenstufen - auf einem jeweils höheren Level und auf andere Situationen übertragen – wiederhoanlt. Wesentliches Ziel des spielerischen Einübens neuer Verhaltensweisen ist auch hier, Kinder darin zu fördern, sich in sozialen Situationen angemessen und erfolgreich zu verhalten.

Ähnlich wird in Einheit III: „Umgang mit Ärger und Wut" verfahren. Ziel dieser in allen drei Klassenstufen durchgeführten Lerneinheit ist, Techniken zur Stressreduktion zu vermitteln, um Ärger und Wut abzubauen zu lernen. Es geht dabei nicht darum, vordergründig Wut und Ärger zu unterdrücken, sondern darum, das daraus sich möglicherweise ergebende destruktive Verhalten zu korrigieren. Kinder sollen zur Lösung sozialer Probleme ermutigt werden. Auch zu diesem Komplex werden viele weitere Themen und Situationen ergänzend angesprochen.